Die Entwicklung der Boule-Spiele reicht Jahrhunderte zurück.
Ihren Anfang nahmen sie in Form unterschiedlicher Kugelspiele, die
in zahlreichen Ländern von allen Schichten der Bevölkerung
ausgeübt wurden. Schon im 13. Jahrhundert wurde in Frankreich
mit Holzkugeln Boule gespielt. Hierbei ging es darum, die Kugel
möglichst nahe an ein Ziel zu plazieren, entsprach also in
etwa den heutigen Versionen. 1369 verbot Karl V. dieses Spiel, weil
er die Staatssicherheit gefährdet sah, da die Soldaten anstatt
Bogenschießen zu üben, ihre Freizeit dem Boule-Spiel
widmeten. Die Pariser Synode von 1697 untersagte allen Geistlichen,
in der Öffentlichkeit Boule zu spielen.
Genauso wie das Spiel verfolgt wurde, gab es andererseits auch
öffentliche Unterstützung. Die berühmte Fakultät
von Montpellier bestätigte im 16. Jahrhundert den Wert des
Boule-Spiels für die Gesundheit: "Es gibt keinen Rheumatismus
oder andere ähnliche Leiden, die nicht durch dieses Spiel vereitelt
werden können, es ist für jede Altersstufe geeignet:"
Ludwig XI. wußte das auch und spielte häufig Boule, und
der bekannte Generalfeldmarschall Turenne galt als unschlagbar.
Die Popularität des Spiels stieg im 19. Jahrhundert stark
an. Es wurde nicht mehr nur auf Wiesen außerhalb der Stadt
gespielt, sondern überall, wo Platz war, in den Straßen
und auf den Marktplätzen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann man in Lyon
das "Boule Lyonnaise" zu spielen. 1894 wurde dort auch
der erste Wettbewerb veranstaltet, bei dem über 1000 Spieler
drei Tage lang um die Plätze rangen. 1906 wurde der erste Verband
gegründet.
In Italien entwickelte sich eine weitere Version, das "Boccia".
Gespielt wird auf 4,50 m breiten und 28 m langen, speziell präparierten
Plätzen. Die Kugeln sind aus Holz und haben unterschiedliche
Farben, um sie auseinderhalten zu können. Im Jahre 1898 wurde
in Turin der erste Boccia-Verband gegründet.
In Frankreich gibt es heute einige unbedeutende regionale Spiele
sowie das bereits erwähnte "Boule Lyonnaise", das
"Jeu Provencal" und das jüngste, aber heute populärste
aller Boule-Spiele: "Pétanque".
Die Spielidee ist immer die gleiche, es wird versucht eine oder
mehrere Kugeln näher an eine Zielkugel zu plazieren als der
Gegner. Unterschiedlich sind die Spielregeln, das Gewicht der Kugeln
und die Abmessungen des Spielfeldes.
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Das Boule Lyonnaise
Das Ende des 19. Jahrhunderts aufgekommene Spiel wird heute in
großen Teilen Frankreichs praktiziert. Es ist jedoch nicht
so populär wie Pétanque, u.a. weil für Boule Lyonnaise
ein großer, besonders präparierter Spieluntergrund benötigt
wird. Man spielte zu Beginn - wie schon im Mittelalter - mit Holzkugeln.
Diese waren, um eine höhere Widerstandsfähigkeit zu erhalten
sowie um rund zu laufen, mit Nägel beschlagen. Ab 1923 wurden
die Kugeln aus einer Bronze-Aluminium-Legierung hergestellt, heute
sind sie hauptsächlich aus Stahl. Ihr Durchmesser muß
zwischen 9 und 11 cm liegen, und sie müssen ein Gewicht zwischen
900 und 1400 g aufweisen. Die Zielkugel muß innerhalb einer
Zone zwischen 12,5 und 19,5 m zum Liegen kommen. Für die Ausführung
des Wurfes hat der Spieler 7 m zur Verfügung, in denen er Anlauf
nehmen kann. Das Boule Lyonnaise ist eine sehr sportliche Form des
Boule-Spiels. Es gehört viel Training dazu, eine knapp 1,5
kg schwere Kugel über eine Distanz von bis zu 19,5 m zu werfen
und damit noch eine gegnerische Kugel zu treffen.
Das Jeu Provencal
Das Boule Lyonnaise wurde immer bekannter, machte sich auf den
Weg die Rhône abwärts und erreichte schließlich
das Mittelmeer. Dort angekommen, wurde dem Reglement erst einmal
die Strenge genommen, und die Kugeln wurden kleiner und leichter
(zwischen 600 und 900 g). So entstand ein neues Kugelspiel in der
Provence und wurde deshalb "Jeu Provencal" genannt.
Auch hier ist viel Bewegung mit im Spiel. Beim Punktieren macht
der Spieler aus einem Abwurfkreis heraus einen großen Ausfallschritt
nach rechts oder links und zieht das andere Bein nach. Die Kugel
muß gespielt werden, bevor das Nachziehbein den Boden berührt,
es wird also auf einem Bein stehend geworfen. Man muß gleichzeitig
ein Gleichgewicht finden und die Kugel bis zu 22 m weit gezielt
werfen. Beim Schießen nimmt der Spieler drei Schritte Anlauf
aus dem Kreis und schießt die Kugel auf einem Bein stehend
ins Ziel. Diese Art des Boule-Spiels ist wie seine Lyoner Variante
sehr anspruchsvoll.
Das Pétanque
Das Spiel entstand im Jahre 1910 in La Ciotat, einem kleinen Städtchen
an der Côte d´Azur. Ein sehr guter, schon etwas älterer
Spieler des Jeu Provencal mußte zuschauen. Sein Rheuma plagte
ihn, und er konnte weder den Ausfallschritt vollziehen noch konnte
er die drei Schritte Anlauf zum Schuß nehmen, zu stark waren
seine Schmerzen. Dennoch wollte er seinen Sport nicht aufgeben,
und es kam ihm die Idee, die Wurfdistanz um einiges zu verkürzen
und zudem ohne Anlauf im Stehen zu spielen. Man stand in einem Abwurfkreis
und spielte auf eine Entfernung von 6 bis 10 m. Von der Abwurfposition
- man mußte mit geschlossenen Füßen im Kreis stehen
- leitete sich auch der Name des Spiels ab. Die Bezeichnung für
"geschlossene Füße" heißt auf französisch
"pieds tanqués", auf provencalisch hieß es
"ped tanco". Diese beiden Wörter sind schon bald
zu einem verschmolzen: Pétanque.
Da das Spielfeld keinen strengen Regeln unterzogen wurde, eröffneten
sich große Möglichkeiten, dieses Spiel auszuüben.
Man war nicht mehr beschränkt auf ein genau eingeteiltes Spielfeld
auf einem bestimmten Platz, sondern man spielte auf Plätzen
vor Kirchen, in Parks und auf ungepflasterten Dorfstraßen.
Im Jahre 1943 wurde der Boule-Verband, die Fédération
Francaise de la Pétanque et du Jeu Provencal (F.F.P.J.P.)
gegründet, der in der Zwischenzeit bereits über eine halbe
Million eingeschriebene Mitglieder angehören. Auch in den Nachbarländern,
wie der Schweiz, Italien, Spanien, Belgien und auch Deutschland
gibt es inzwischen Boule-Verbände. Nationale und internationale
Meisterschaften werden durchgeführt, und es wird darüber
diskutiert, ob Pétanque als neue Disziplin bei den Olympischen
Spielen vorgeschlagen werden soll.
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